Nach Srebrenica schuf die UNO auf Bestreben des damaligen Generalsekretärs Kofi Annan eine «Responsibility to Protect» oder «R2P». In der schlussendlich angenommenen Resolution der Generalversammlung der UNO wurde diese Schutzverantwortung der Staaten als Schutz der Bevölkerung vor Völkermord, Kriegsverbrechen, ethnischer Säuberung und Verbrechen gegen die Menschlichkeit umschrieben (A/RES/60/1 vom 24. Oktober 2005). Die Staaten stehen einerseits gegenüber ihrer eigenen Bevölkerung in der Pflicht, andererseits ist die Schutzverantwortung kollektiv, als dass sie auch alle anderen Staaten trifft, wenn friedliche Mittel auf nationaler Ebene dabei versagen, die genannten schweren Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts zu verhindern. Die Hilfe der Drittstaaten muss dabei nicht militärisch sein.
Der anhaltende Kauf von russischem Gas und Öl finanziert gerade die furchtbare Kriegsmaschinerie, welche eigentlich gestoppt werden müsste.
Im Fall des russischen Kriegs gegen die Ukraine wäre ein direktes militärisches Eingreifen angesichts der Möglichkeit einer nuklearen Eskalation auch nicht zielführend. Explizit möglich ist aber ebenso das Ergreifen anderer friedlicher Mittel («other peaceful means», Randziffer 139 der erwähnten Resolution). Dazu gehören meines Erachtens Wirtschaftssanktionen, welche insbesondere den Boykott von russischem Gas und Öl umfassen sollten. Einerseits reichen die bisher ergriffenen diplomatischen und wirtschaftlichen Massnahmen offensichtlich nicht aus. Und andererseits finanziert der anhaltende Kauf von russischem Gas und Öl gerade die furchtbare Kriegsmaschinerie, welche eigentlich gestoppt werden müsste.
Die schrecklichen Bilder aus der Ukraine belegen Tag für Tag die Missachtung des humanitären Völkerrechts und Menschenrechtsverletzungen durch das russische Regime.
Die schrecklichen Bilder aus der Ukraine belegen Tag für Tag die Missachtung des humanitären Völkerrechts und Menschenrechtsverletzungen durch das russische Regime. Die Schweiz und alle UNO-Mitglieder können und müssen mehr tun. Nicht nur aufgrund des Völkerrechts – sondern auch aus Menschlichkeit.
Patrice Martin Zumsteg, Dr. iur., Rechtsanwalt, lehrt und forscht an der ZHAW School of Management and Law, Winterthur/Schweiz, im Bereich des öffentlichen Rechts mit Fokus Grundrechte. Er begleitet als Coach das ZHAW-Team in der European Human Rights Moot Court Competition (Helga Pedersen Moot). Ein Forschungsaufenthalt führte ihn an das Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht in Heidelberg.