Nach 77 Jahren Frieden in Europa hat Russland mit dem Überfall auf die Ukraine grundlos einen Krieg begonnen. Die diesbezüglichen völkerrechtlichen Verstöße können leicht und eindeutig identifiziert werden.

Über die Erfolgsaussichten Russlands gegenüber der Ukraine mögen unterschiedliche Auffassungen herrschen, jedoch zeigt sich in der Dauer der bislang bestehenden Auseinandersetzung die schlechte Bewaffnung der russischen Truppen, deren geringe Zahl sowie die fehlende Motivation der ins Feld geschickten Soldaten und daraus folgend, dass Putins Absicht, sein Nachbarland in kurzer Zeit „zu überrennen“, bereits jetzt gescheitert ist. Dazu ist alles hinreichend klar und ausreichend deutlich bereits unmissverständlich geäußert.

Neben all diesen furchtbaren und verdammenswerten Missetaten Putins ist es erforderlich, einen bislang nur wenig beachteten neuen Gesichtspunkt in den Vordergrund zu stellen. Das Vorgehen des russischen Militärs, nicht einen zielgerichteten kriegerischen „Feldzug“ zu führen, sondern stattdessen zivile Objekte zu zerstören und dabei rücksichtslos auch Zivilpersonen jeglichen Alters zu töten, ist ein eklatanter Verstoß gegen die Würde eines jeden einzelnen Menschen, auf die sich jedes Individuum der ukrainischen Bevölkerung berufen kann.

Der Staat ist zum Schutz der Menschenwürde verpflichtet.

Im deutschen Grundgesetz hat der Verfassungsgeber als Leitlinie aus Erfahrungen einer menschenverachtenden Diktatur zwischen 1933 und 1945 bewusst ein neues Menschenbild mit den Grundrechten an die Spitze der Verfassung gestellt. Art. 1 des Grundgesetzes reklamiert die Würde eines jeden Menschen. Damit wurde 1949 ein neues Wertesystem geschaffen, das von staatlicher Gewalt zu beachten ist. Auch die Charta der Grundrechte der Europäischen Union ist dieser Auffassung 2000 einstimmig beigetreten. Ihr Art. 1 lautet: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie ist zu achten und zu schützen.“ Eine entsprechende Bestimmung findet sich auch in Art. 21 der russischen Verfassung: „Die Würde der Person wird vom Staat geschützt. Nichts kann ihre Schmälerung begründen.“ Damit wird nicht nur eine wichtige lebenserhaltende staatliche Abwehraufgabe definiert, sondern auch der Schutz der Individuen und die Erhaltung ihrer Würde verpflichtend proklamiert.

Die Beliebigkeit des Putin`schen aggressiven Kriegs gegen die Bevölkerung, ihre Wohnungen und zivile Objekte verstößt in einem so seit 1945 nicht mehr bekannten Ausmaß in Europa gegen diese Grundsätze und ist damit absolut würdelos.

Neben den völkerrechtswidrigen aggressiven Verstößen belegen die vielen zivilen Toten des Kriegs in der Ukraine die Unmenschlichkeit dieser Kriegsführung in einer Weise, dass unter diesem Gesichtspunkt der Ausschluss Russlands aus allen Gremien Europas und dieser Welt gerechtfertigt ist. Menschenunwürdiger kann eine kriegerische Auseinandersetzung nicht geschehen.

Russland kann erst wieder Teil der europäischen Wertegemein­schaft werden, wenn es die Menschenwürde jedes einzelnen achtet.

Dieser gegen grundlegende zivilisatorische Prinzipien verstoßende Umgang mit Menschen in der Ukraine rechtfertigt die Verteidigung der fundamental und substantiell angegriffenen Menschenwürde mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln. Dazu gehört zentral das Niederringen des verbrecherischen Systems mit allen nur möglichen und denkbaren Ausfuhr- und Einfuhrverboten, um die Liquidität Russlands auf das Empfindlichste einzuschränken. Nur wenn dieses System Putin überwunden sein wird und sich in Russland ein demokratisches Regierungsverhalten sowie eine Legitimation durch demokratische Beteiligung und Willensbildung des russischen Volkes verwirklicht, gibt es eine Chance, Russland wieder in der wertegebundenen Gemeinschaft Europas bei Beachtung der Menschenwürde eines jeden Individuums zu akzeptieren.

 

Prof. em. Dr. iur. Klaus Slapnicar hat Wirtschaftsrecht als Studienrichtung mitbegründet und viele Jahre gelehrt, zuletzt an der Hochschule Schmalkalden. Er war über 20 Jahre Sprecher der Vereinigung der Hochschullehre für Wirtschaftsrecht und persönliches Mitglied der Wirtschaftsjuristischen Hochschulvereinigung (WHV).

 

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